Betrieblich veranlasste Schuldzinsen bei Überentnahmen

Schuldzinsen können nur dann als Betriebsausgaben abgezogen werden, wenn die Aufnahme des Darlehens betrieblich veranlasst ist. Beim Abzug von Schuldzinsen ist immer in 2 Stufen vorzugehen.

  1. Zunächst ist festzustellen, ob und inwieweit die Schuldzinsen betrieblich veranlasst sind.
  2. Sind die Schuldzinsen betrieblich veranlasst, ist zu prüfen, ob der Schuldzinsenabzug im Hinblick auf Überentnahmen eingeschränkt ist.

Der Abzug von Schuldzinsen richtet sich nach der tatsächlichen Verwendung des Darlehens. Zinsen, die für private Investitionen bzw. zur Finanzierung von Privatentnahmen anfallen, dürfen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, weil sie nicht betrieblich veranlasst sind.

Praxis-Beispiel:
In den Bescheiden einer OHG wurden in dem Gesamthandsvermögen Hinzurechnungen wegen nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG vorgenommen. In den Gewinnfeststellungsbescheiden für die Jahre 2014 bis 2016 erfolgten ebenfalls Hinzurechnungen für das Sonderbetriebsvermögen eines Gesellschafters. In dem Einspruchs- und Klageverfahren wandte sich die OHG mit verfassungsrechtlichen Einwänden gegen die Höhe der Hinzurechnungen. Die OHG begehrte, den Hinzurechnungen einen Prozentsatz von 2,9% statt des gesetzlich vorgesehenen Prozentsatzes von 6% zugrunde zu legen. Die Einsprüche blieben erfolglos. Das Finanzgericht wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 31.5.2019 als unbegründet ab. Das Finanzamt habe zutreffend den gesetzlich typisierten Prozentsatz von 6% nach § 4 Abs. 4a EStG angewendet.

Die Revision der OHG ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Finanzgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung. Das Finanzgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen festzustellen, ob die Schuldzinsen, deren vollständigen Abzug die OHG begehrt, überhaupt betrieblich veranlasst sind. Zudem fehlen nachvollziehbare Feststellungen dazu, ob es in den Streitjahren überhaupt zu Überentnahmen gekommen ist.

Durch die Zurückverweisung erhalten außerdem alle Beteiligten die Gelegenheit, sich zu dem zwischenzeitlich ergangenen Beschluss des BVerfG bezüglich der Vollverzinsung von Steuernachforderungen zu äußern, auf die sich die OHG zur Begründung ihrer Revision bezogen hat. Das BVerfG hat die Vollverzinsung mit 0,5% monatlich erst ab dem 1.1.2014 als mit dem Gleichheitssatz unvereinbar festgestellt. Zudem hat es die Weitergeltung der Regelung der Verzinsung bis zum 31.12.2018 angeordnet. Fraglich ist auch, ob diese Regelung sich überhaupt auf die Einschränkung des Schuldzinsenabzugs bei Überentnahmen übertragen lässt.

Quelle: BFH | Urteil | IV R 19/19 | 21-03-2022
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